Als Studentische Hilfskräfte (SHKs) an den Berliner Hochschulen1 sind unsere Verträge und unsere Löhne im Tarifvertrag Studentische Beschäftige (TV Stud III2) geregelt. Ein solcher Tarifvertrag ist deutschlandweit noch immer einzigartig und hat Vorbildcharakter für studentische Arbeitskämpfe in ganz Deutschland. Doch darauf können sich weder der Berliner Senat noch die Universitäten ausruhen, denn auch tarifvertraglich sind die Löhne dem Leben in der Hauptstadt schon lange nicht mehr gewachsen.
Dieses Jahr hat das Land Berlin mit der Erhöhung des Landesmindestlohn der (eigenen) Lohnpolitik an den Universitäten ein desaströses Zeugnis ausgestellt: Nur Dank Landesmindestlohn ist unser Stundenlohn nun auf außertarifliche 13,01€ gestiegen.3 Dass auch das nicht reichen kann, zeigt ein kurzer Blick auf den Berliner Wohnungsmarkt: In Berlin kostet das durchschnittliche neu-vermietete WG-Zimmer 550 €.4 Der Standard-SHK-Vertrag über 10 Stunden die Woche zahlt gerade einmal 520,40 €! Durch die Limitierung der Wochenarbeitszeit für Studierende auf 20 Stunden pro Woche wird schnell klar: Als SHK arbeiten in Berlin, das muss man sich leisten können.
Dabei sind SHK-Stellen im universitären Betrieb noch immer eine wichtige Zwischenstufe in der akademischen Karriereleiter. Auch wenn es ohne geht, die dabei gesammelte Erfahrung sowie die Kontakte zu Professor*innen und wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen können ausschlaggebend sein für Arbeits- und Promotionsstellen sowie Stipendien. Wenn also typische Studierendenjobs außerhalb der Universitäten deutlich besser und stressfreier bezahlen, dann schließt die schlechte Bezahlung an den Universitäten einmal mehr sozial Benachteiligte aus.
Doch nicht nur beim Lohn steht es schlecht um die Arbeitsbedingungen vieler studentischer Beschäftigter. So sind mangelnde Einarbeitung und fehlende Ausstattung an der Tagesordnung. Hinzu kommt, dass die vertraglich geregelte Stundenanzahl in der Regel überschritten wird – sei es durch die Erwartungshaltung einer ständigen Erreichbarkeit der SHKs, die Aufhebung von Obergrenzen bei Tutorien oder das Versprechen, über die Semester hinweg einen „Ausgleich“ für Überstunden zu erhalten. Zumindest an der Humboldt-Universität ist die Personalabteilung zudem nicht mehr imstande, Einstellungen zum verabredeten Zeitpunkt zu bearbeiten, wodurch teils monatelang auf den Vertrag gewartet oder gar ganz ohne gearbeitet wird!
Dass es so schlecht um (die Einhaltung des) TV Stud steht, hat zwei Gründe: Zum einen die ausbeuterische Lohnpolitik der Universitäten, die sich nicht nur an uns, sondern auch am Mittelbau, den Sekretariaten, und der Lehre sparen. 2001, damals noch im TV Stud II, hatten die Universitäten den Lohn auf 10,98 € angehoben und eingefroren.5 Doch damit nicht genug, 2004 wurden von universitärer Seite dann auch noch die Jahressonderzahlung (sog. 13. Gehalt/Weihnachtsgeld) eingestellt.6 Statt die vom Land bereitgestellten Gelder für eine Erhöhung um insgesamt 29,9% vom Jahr 2010 bis 2022 an SHKs weiterzugeben, wurden diese einbehalten um andere Haushaltslöcher zu stopfen – allein dadurch wäre schon Geld da gewesen, um uns 2022 14,26€ zu zahlen.7 Erst 2018, nach drei Jahren Organisierung, Verhandlung und Streik, konnten mit dem TV Stud III siebzehn Jahre ohne Lohnerhöhung beendet werden.
Das zeigt den zweiten Grund für den schlechten Zustand des TV Studs. Was wir nicht einfordern und erkämpfen, wird uns nicht gezahlt. Doch die Vernetzung zwischen SHKs ist schwierig: Unsere Verträge sind kurz, unsere Arbeit oft individualisiert und auch der Grad, zu dem wir auf den Lohn angewiesen sind, ist stark unterschiedlich. Doch 2018 zeigt, was uns Vernetzung und Solidarität bringen. Hatten 2011 die Universitäten mit einem unzureichenden Angebot von gerade einmal 26 Cent noch ein Scheitern der Verhandlungen provoziert8, konnte die Kampagne 2015–2018 einen Organisationsgrad erreichen, der auf solche Angebote mit Streik statt Aufgeben reagieren konnte.
In vielerlei Hinsicht war 2018 erfolgreich: Neben der ersten Lohnerhöhung nach 17 Jahren stand nicht nur ein höherer Lohn im Tarifvertrag, sondern auch eine garantierte Dynamisierung9 ab 2023, die Ausdehnung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall von sechs auf zehn Wochen und eine Erhöhung des Erholungsurlaub ab 2019 auf 30 Tage.10 Doch schon damals blieben die vereinbarten 12,30 € weit hinter dem geforderten Inflationsausgleich von 14,00 € zurück11. Heute müssten es 15,00 € sein, um dem Reallohnniveau von 2001 zu entsprechen, und das nimmt nicht einmal die in Berlin zusätzlich explodierenden Lebenshaltungskosten in den Blick. Daher sagen wir klar: Was gestern nicht genug war, ist heute zu wenig!
Mit dem Jahr 2023 beginnt ein neues Kapitel: Die Befriedung des TV Stud III endet und neue Verhandlungen sind theoretisch möglich. Erstmalig wird in ganz Deutschland die Kampagne TV Stud bundesweit12 in der Position sein, diesen im Herbst auch einzufordern. Dafür hat unser Tarifvertrag Vorbildcharakter und eine parallele Kampagne von TV Stud bundesweit und TV Stud Berlin kann viel erreichen. Damit es eine Berliner Kampagne gibt, wollen wir uns als Berliner SHKs gemeinsam darüber verständigen, wie unser Arbeitsverhältnis an den Universitäten, Hochschulen und Wissenschaftszentren13 aussehen soll. Das bedeutet darüber hinaus, dass wir gemeinsam zeigen müssen, dass wir stark und unzufrieden genug sind, um die Gewerkschaften und Universitäten wieder an einen Tisch zu bekommen. Dafür brauchen wir dich!
Gemeinsam mit dir müssen wir viele Entscheidungen treffen: Nächstes Jahr besteht nicht nur die Möglichkeit zur Verhandlung des TV Studs, sondern es wird auf jeden Fall auch der TV-L verhandelt werden. Das sind zum einen Möglichkeiten zur Vernetzung mit anderen Arbeitenden an den Unis und darüber hinaus. Denn nicht nur wir, sondern auch die WiMis, die Mensa-Mitarbeitenden, die Sekretär*innen, die Arbeitenden in den Bibliotheken und in den vielen IT- und Verwaltungsstrukturen werden von den Universitäten und dem Land Berlin unterbezahlt. Gute Arbeit für alle braucht angesichts von Rekordinflation und Lohnstagnation uns alle gemeinsam.
Dabei ist die Vernetzung mit Beschäftigten des TV-Ls auch für unsere eigene Lohnentwicklung wichtig: Dank der Dynamisierung des aktuellen Tarifvertrags sind wir an den TV-L angedockt und kriegen deren prozentuale Erhöhung durchgereicht: 10,5 % für Beschäftigte des TV-Ls bedeuten auch 10,5 % für uns.14 Das heißt, dass unser Default-Case im Jahr 2023 der TV-L ist, da wird an diesen tarifvertraglich angedockt sind. Jedoch kann im TV-L keine Entscheidung zu Inflationsausgleich mit 2001, Weihnachtsgeld oder Schutz vor Arbeitsverdichtung vereinbart werden. Es ist zudem der Default-Case, weil nur wenn wir stark genug sind, die Gewerkschaften und Unis uns ernst genug nehmen werden und mit uns an den Verhandlungstisch für den TV Stud setzen werden. Wir werden also sowohl als SHKs gemeinsam und dann auch zusammen mit den Gewerkschaften entscheiden müssen, ob wir TV-L oder TV Stud verhandeln.
Ob TV-L oder TV Stud, wir sind zuversichtlich, weil wir schon viele sind, uns informieren und miteinander unsere Arbeit verändern wollen! Wir haben erste Stammtische an Instituten, eine offene Orga-Struktur und eine wachsende Vernetzung in den Berliner Universitätsstrukturen. Bis zum Unterschreiben eines neuen Vertrags, von dem alle studentischen Beschäftigten profitieren, muss noch einiges passieren:
Wir wollen viele sein: Komm vorbei und vernetz dich mit uns! Ob zu Hochschulgruppenplena, Vollversammlungen oder offenen Orga-Abenden, es gibt viele Möglichkeiten uns kennenzulernen und mitzumachen. Sprich mit deinen studentischen Kolleg*innen: Was beschäftigt euch gerade auf der Arbeit? Wo hakt es? Gibt es vielleicht schon Stammtische an deinem Institut oder deiner Hochschule, auf denen sich dazu ausgetauscht wird? Wenn nicht, magst du einen gründen?
Wir wollen unsere Arbeitsbedingungen verbessern: Wir wissen, dass der Lohn nicht reicht, die Jahressonderzahlung fehlt und unsere Rechte immer wieder missachtet werden. Damit daraus konkrete Forderungen, die vor und bei Vollversammlungen diskutiert und verabschiedet werden, werden, müssen wir uns austauschen und gemeinsam auf Tarifverhandlungen vorbereiten.
Wir wollen sichtbar sein: Schon vor Verhandlungen und Streiks ist viel zu tun. Um zu wachsen und uns mit anderen SHKs, universitären Beschäftigten und solidarischen Studierenden zu vernetzen, müssen wir sichtbar sein. Das heißt Flyer, Infostände, Stammtisch. Das heißt aber auch, viel Platz für kreative Aktionen. Dank der außertariflichen Erhöhung auf 13,01 €, wissen wir, dass die Universitäten in der Lage sind, uns außertarifliche Zugeständnisse zu machen. Warum also nicht schonmal vorab das Weihnachtsgeld fordern, wo es schon keinen Coronabonus gab?
Die Streiks der studentischen Beschäftigten in den vergangenen Jahrzehnten haben uns gezeigt, dass es möglich ist, wenn wir uns zusammenschließen. Mit einem aktuellen Stundenlohn, der gerade mal einen Cent über dem Landesmindestlohn liegt, haben wir außerdem jeden Grund zu hoffen, dass Verhandlungen und Protest die Situation verbessern werden – was gibt es zu verlieren? Durch die Neuwahlen in Berlin haben wir außerdem die Chance, mit unseren Forderungen auch die Haushaltsplanung des Senats zu beeinflussen. Die Verfügbarkeit von Geldern kann kein gültiges Argument in unserem Kampf um gerechte Arbeitsbedingungen sein! Gemeinsam sind wir stark und erkämpfen den neuen Tarifvertrag!